Die 16-Wochen-Strategie bewährt sich besonders in der Baisse

Lässt sich der DAX langfristig schlagen, wenn man weniger als 40 Prozent der Zeit investiert ist? Gibt es einen wiederkehrenden Rhythmus am deutschen Aktienmarkt, mit dessen Hilfe regelmäßig Geld verdient werden kann? Thomas Gebert meint ja und hat mit der 16-Wochen-Strategie ein Regelwerk vorgestellt, das genau das leisten soll.

In seinem 2016 erschienen Buch „Was zu tun ist, wenn es so weit ist“, hat Gebert erstmals seine 16-Wochen-Strategie veröffentlicht. Das Finanzmagazin Focus Money kürte sie in der Titelstory der Ausgabe 37/2016 sogar zur „besten Börsenstrategie der Welt“. Gut vier Jahre nach der ersten Veröffentlichung wollen wir prüfen, ob sich damit noch immer Geld verdienen lässt und wie sie sich im aktuellen Börsencrash geschlagen hat.

Der studierte Physiker Thomas Gebert beschäftigt sich schon sehr lange mit der Börse und entwickelte bereits 1993 den viel beachteten „Gebert-Börsenindikator“. Er hatte herausgefunden, dass man mit Hilfe der vier bekannten Einflussfaktoren Zinsen, US-Dollar, Inflation und Saisonalität den DAX langfristig schlagen kann. Seit 1996 veröffentlicht er im Finanzmagazin „Der Aktionär“ die Kauf- und Verkaufsignale seines Börsenindikators. Auch in den mehr als 20 Jahren nach der ersten Veröffentlichung hat sich dieser Börsenindikator gut geschlagen und den DAX deutlich abgehängt. In TRADERS’ 7/2019 wurde der Gebert-Börsenindikator genauer unter die Lupe genommen.

Abb. 1: Mit Hilfe eines Indikators wird der 16-Wochen-Rhythmus im DAX-Chart visualisiert. In den roten Bereichen sollte nach diesem Ansatz auf fallende Kurse und in den grünen auf steigende gesetzt werden.


So funktioniert die 16-Wochen-Strategie

Als Anhänger der quantitativen Analyse hat Gebert schon die unterschiedlichsten Strategien anhand historischer Daten überprüft. In seinem Buch „Der große Gebert“ zeigt er viele Ansätze, die einen statistischen Vorteil aufweisen.

Bei seinen Untersuchungen fiel ihm auf, dass zwischen einem Hoch- und einem Tiefpunkt relativ häufig 16 Wochen liegen. Daraus leitet er einen sich wiederholenden Zyklus mit einer Dauer von 16 Wochen ab. Gebert untersuchte die einzelnen Wochen innerhalb dieses Zyklus, indem er die durchschnittliche Wertentwicklung für die jeweiligen Wochen eins bis 16 berechnete. Dabei stellte er fest, dass es Wochen gibt, die eine auffällig gute, aber auch Wochen, die eine besonders schlechte Performance zeigen. Er identifizierte die Wochen acht, elf und 16 als besonders schwache und die Wochen 13, 14 und 15 als starke Wochen. In einer Rückrechnung bis 1959 hat Gebert diesen Zyklus langfristig untersucht und die bemerkenswerten Ergebnisse in seinem Buch „Was zu tun ist, wenn es soweit ist“ veröffentlicht.

Um die Strategie umzusetzen, kaufen Sie am Anfang der dreizehnten Woche einen DAX-ETF und halten ihn bis zum Ende der fünfzehnten Woche. Da die drei überdurchschnittlich starken Wochen hintereinander liegen, sind nur zwei Transaktionen – ein Kauf und ein Verkauf – zur Umsetzung erforderlich. Am Anfang der achten, elften und sechzehnten Woche kaufen Sie einen ShortDAX-ETF und setzen damit auf fallende Kurse. Am Ende der jeweiligen Woche wird der ShortDAX-ETF wieder verkauft. Um von den drei besonders schlechten Wochen des Zyklus zu profitieren, werden allerdings sechs Transaktionen benötigt, da die schlechten Wochen nicht lückenlos aneinander gereiht auftreten.

Der 16-Wochen-Rhythmus lässt sich auch mit einem Indikator, der den Takt vorgibt, im Chart visualisieren oder in ein Handelssystem integrieren (siehe Abb. 1). Dabei stehen Indikatorwerte über null für steigende und Werte unter null für fallende Kurse. Mit Hilfe eines festen Datums, welches das Startdatum der ersten Woche des Zyklus fixiert, kann der Takt in beide Richtungen relativ einfach berechnet werden. Am Montag, den 06.01.2020, hat beispielsweise ein neuer 16-Wochen-Zyklus begonnen.

Kritisch anzumerken ist allerdings, dass kein wirklich kausaler Hintergrund erkennbar ist, warum genau dieser 16-Wochen-Rhythmus am deutschen Aktienmarkt existiert und was ihn auslöst.

Abb. 2: Die Wertentwicklung der 16-Wochen-Strategie wird links mit einer linearen und rechts mit einer logarithmischen Skalierung dargestellt. Sowohl im linken als auch im rechten Chart wird die Wertentwicklung derselben Strategie gezeigt.


Dramatische Outperformance dank linearer Skalierung

In Geberts Buch, auf seiner Webseite, aber auch in vielen Finanzmagazinen wird die Wertentwicklung der Strategie gern linearen skaliert abgebildet. Dadurch wirkt die Outperformance gegenüber dem DAX sehr dramatisch (siehe Abb. 2, linker Chart). Allerdings wird dadurch auch die Wertentwicklung verzerrt dargestellt, da der Zinseszinseffekt nicht eliminiert wird. Anders bei der logarithmischen Skalierung, die Sie in Abb. 2 im rechten Chart sehen. Hier entsprechen gleiche prozentuale Änderungen auch gleichen Abständen auf der Y-Achse. Dadurch verzerrt der Zinseszinseffekt nicht die Wahrnehmung der Wertentwicklung. Bei der linearen Skalierung entspricht eine bestimmte Wertveränderung einem bestimmten Abstand auf der Y-Achse.

Schauen wir uns das Jahr 2019 in Abb. 2 an. Bei der linearen Skalierung wirkt es so, als hätte die 16-Wochen-Strategie den DAX deutlich hinter sich gelassen. Das entspricht aber leider nicht der Realität, denn 2019 liegt der DAX mit über 25 Prozent Zuwachs klar vor der 16-Wochen-Strategie mit nur rund zwei Prozent. Das ist auch in Abb. 2 im rechten Chart, der die logarithmische Skalierung zeigt, klar erkennbar.

Rein wertmäßig hat die 16-Wochen-Strategie zwar mehr Geld dazugewonnen, aber nur, weil sie Anfang des Jahres bereits über viel mehr Geld verfügte. Wenn Sie 100.000 Euro besitzen und damit 1000 Euro im Jahr erwirtschaften, ist das sicher nicht so gut, als wenn Sie mit nur 10.000 Euro denselben Ertrag erwirtschaften. Aber genau das wird bei der linearen Skalierung gemacht, denn die 1000 Euro entsprechen einem bestimmten festen Abstand auf der Y-Achse.

Selten investiert, Risiko minimiert

In einem Interview sagte Thomas Gebert über die 16-Wochen-Strategie: „Ich wollte bei dieser Strategie nicht den möglichen Gewinn maximieren, sondern das Risiko minimieren.“

Nach seiner Einschätzung ist das Risiko der 16-Wochen-Strategie niedrig, weil sie in den 16 Wochen eines Taktes nur sechs Wochen lang überhaupt investiert ist. In 62,5 Prozent der Zeit ist die Strategie nicht investiert und das Geld kann zum Geldmarktsatz angelegt werden. Damit ist die Strategie nur in 37,5 Prozent der Zeit dem Marktrisiko ausgesetzt.

Außerdem setzt die Strategie in drei der sechs Wochen, in denen sie investiert ist, auf steigende und in den anderen drei Wochen auf fallende Kurse. Daraus folgt, dass die Strategie im Mittel richtungsneutral positioniert ist.

Gebert hebt hervor, dass der Anwender seiner Strategie keine Richtungswette eingeht und deshalb das Risiko minimal ist. Selbst wenn die Kursbewegungen einmal einer zufälligen statistischen Verteilung folgen sollten, ist damit zu rechnen, dass diese Strategie auf Dauer zumindest keinen Verlust produziert.

Dass die 16-Wochen-Strategie nur in 37,5 Prozent der Zeit investiert ist, ermöglicht es während der übrigen 62,5 Prozent, Zinsen am Geldmarkt zu kassieren. Allerdings ist das seit 2014 kaum noch möglich (siehe Abb. 3). Waren in den 1990er-Jahren zeitweise über acht Prozent am Geldmarkt zu erzielen, so liegt der EONIA-Satz nun schon viele Jahre lang im negativen Bereich. Auch bei einigen Banken und Brokern müssen Anleger mittlerweile „Strafzinsen“ bezahlen, wenn sie ihr Geld auf dem Girokonto parken.

In der Rückrechnung der 16-Wochen-Strategie werden die liquiden Mittel zum jeweils gültigen Geldmarktsatz angelegt, das sorgte bis 2014 für eine „Sockelrendite“. Besonders bei Anlagestrategien, die den überwiegenden Teil der Zeit nicht am Aktienmarkt investiert sind, sollte überprüft werden, wie sich die Wertentwicklung verändert, wenn die Liquidität nicht verzinst wird.


Abb. 3: Die Wertentwicklung der 16-Wochen-Strategie wird mit und ohne Zinserträge für die liquiden Mittel dargestellt.

In Abb. 3 wird die Wertentwicklung der 16-Wochen-Strategie mit Zinsen für Liquidität als grüne und ohne Zinsen als blaue Linie dargestellt. Es wird deutlich, dass sich auch ohne die Berücksichtigung von Zinsen ein Mehrwert ergibt.

Long, short oder long und short?

Splittet man die 16-Wochen-Strategie in eine Nur-long-Variante und eine Nur-short-Variante auf, ergeben sich interessante Ergebnisse. Bei der Nur-long-Variante wird das Geld nur in den drei starken Wochen 13 bis 15 des 16-Wochen-Zyklus in einen DAX-ETF investiert. Dadurch reduziert sich die Anzahl der notwendigen Transaktionen von acht auf zwei pro 16 Wochen. Das spart Transaktionskosten und erhöht die Bequemlichkeit der Umsetzung.

Bei der Nur-short-Variante wird ausschließlich in den drei schlechten Wochen acht, elf und 16 in einen ShortDAX-ETF investiert. Da die drei schlechten Wochen nicht aufeinander folgen, reduziert sich die Anzahl der notwendigen Transaktionen nur geringfügig von acht auf sechs pro 16 Wochen.

Vergleicht man in Abb. 4 die Entwicklung der kombinierten Variante der 16-Wochen-Strategie mit der Nur-long- und der Nur-short-Variante, so fällt auf, dass die Nur-long-Variante deutlich besser abschneidet. Mit der kombinierten Variante kann die Nur-long-Variante in Sachen Rendite – zumindest im 20 Jahre Backtest bis ins Jahr 2000 – nicht mithalten. Wie Sie aber aus der Tabelle 1 ersehen können, liegen beide Varianten beim Rendite/Risiko-Verhältnis gleichauf. Die Nur-short-Variante ist bei der Rendite und beim Rendite/Risiko-Verhältnis deutlich schlechter, schneidet aber immer noch besser als eine Kaufen-und-Halten-DAX-Strategie ab.


Abb. 4: Vergleich unterschiedlicher Varianten der 16-Wochen-Strategie 


Die höchste Rendite konnte mit einer gehebelten Nur-long-Variante erzielt werden, bei der anstatt in einen DAX-ETF in einen LevDAX-ETF investiert wird. Eine durchschnittliche Rendite pro Jahr von über 18 Prozent muss der Anwender aber auch mit einem höheren Stressfaktor in Form des maximalen zwischenzeitlichen Rückgangs von etwas mehr als 27 Prozent bezahlen. Beim Rendite/Risiko-Verhältnis liegt dieser Ansatz mit 0,68 gleichauf mit der kombinierten Variante.

Wird der Backtest allerdings über 50 Jahre bis ins Jahr 1970 durchgeführt, ändert sich die Reihenfolge. Jetzt liegt auch die Nur-long-Variante bei der Rendite vor der kombinierten Variante, aber immer noch hinter der gehebelten Version. Beim Rendite/Risiko-Verhältnis setzt sich nun die Nur-long-Variante an die Spitze. Alle Daten finden Sie in Tabelle 2.



Erfolgreich in Abwärtsphasen

Besonders bemerkenswert ist, dass die Nur-long-Variante auch bei ausgeprägten Abwärtsphasen am Aktienmarkt wie in den Jahren 2000–2002 und 2008 Gewinne erzielen kann, obwohl diese Strategievariante nur auf steigende Kurse setzen darf. Auch im schwierigen Börsenjahr 2018, in dem der DAX über 18 Prozent verlor, schnitt die Nur-long-Variante mit minus 2,7 Prozent vergleichsweise gut ab. Auch im Umfeld des Coronacrashs konnten sich alle Varianten bewähren. So konnte die kombinierte Long-und-Short-Variante im ersten Quartal 2020 einen Gewinn von 4,8 Prozent verbuchen, die Nur-short-Variante verlor 4,1, die Nur-long-Variante gewann 9,4 und die gehebelte Nur-long-Variante legte 18,8 Prozent zu. Das ist besonders bemerkenswert, weil der DAX im ersten Quartal 2020 fast 18 Prozent an Wert verloren hat. Allerdings fand bei den beiden Nur-long-Varianten im ersten Quartal 2020 nur eine Transaktion vom 30.03.2020 bis zum 20.04.2020 statt, aber die lag mitten in der Erholungsphase nach dem Crash. Es spricht also einiges dafür, sich auf die Nur-long-Varianten zu konzentrieren.


Fazit:

An der 16-Wochen-Strategie stört mich, dass ich mir nicht erklären kann, warum sie eigentlich funktioniert. Allerdings überrascht mich diese Strategie immer wieder mit guten Ergebnissen und dass gerade in Abwärtsphasen am Aktienmarkt. Deshalb setze ich diese Strategie gern als Beimischung in einer Multistrategie oder gezielt als Plan-B-Strategie bei Abwärtstrends ein. Ein Beispiel dafür ist die Anlagestrategie „Stabile DAX-Aktien im Aufwärtstrend und Plan B“, die im Portfolio Journal 02-2020 vorgestellt wurde.

Hier geht es zu den Strategie-Factsheets der drei Varianten der 16-Wochen-Strategie:




Ein Beitrag von:
Autor: Oliver Paesler
Oliver Paesler

entwickelt nicht nur Anlagestrategien für institutionelle Anleger, sondern mit dem Captimizer® auch die Software, um diese zu erstellen und zu testen. Sein erstes Buch über technische Indikatoren erschien 2007 im FinanzBuch Verlag und bereits 2010 wurde er als Experte für systematische Geldanlage vom Fachmagazin Börse Online in der Titelstory „Programmierte Gewinne“ porträtiert.

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