Anlagestrategien auf Basis des Gebert-Börsenindikators

Der Physiker Thomas Gebert hat bereits 1993 herausgefunden, dass man mit Hilfe der vier bekannten Einflussfaktoren Zinsen, US-Dollar, Inflation und Saisonalität den DAX langfristig schlagen kann. Seit 1996 veröffentlicht er im Börsenmagazin DER AKTIONÄR die Kauf- und Verkaufssignale seines Börsenindikators. Auch in den mehr als 20 Jahren seit der ersten Veröffentlichung hat sich dieser Börsenindikator gut geschlagen und den DAX deutlich abgehängt.


Abb. 1: 50 Jahre Vergleich des DAX mit dem Gebert-Börsenindikator
Der Chart zeigt für die letzten fast 50 Jahre den Punktestand des Gebert-Börsenindikators bei monatlicher Berechnungsweise. Sobald der Indikator drei Punkte erreicht (grüne Linie), erfolgtder Einstieg in den deutschen Aktienmarkt. Geht der Indikator auf einen Punkt zurück, erfolgtder Ausstieg und das Anlagekapital wird im Geldmarkt geparkt. Die Wertentwicklung einer Anlagestrategie nach dem Gebert-Indikator mit der ursprünglichen monatlichen Berechnungsweise wird in Blau dargestellt. Es wird deutlich, dass sich die Anlagestrategien erheblich besser entwickelt hat als der deutsche Aktienmarkt DAX (schwarze Linie).


Den Mehrwert dieses Indikators für den deutschen Aktienmarkt hat auch die US-amerikanische Investmentbank Merrill Lynch frühzeitig erkannt und bereits 2006 das erste Zertifikat emittiert, das die Aktienquote nach Geberts Indikator steuert. Die Verbriefung einer Anlagestrategie innerhalb eines Zertifikats war ein sehr bequemer Weg, um den Signalen des Börsenindikators zu folgen. Allerdings wird bei derartigen Anlagezertifikaten eine jährliche Managementgebühr eingepreist und der Anleger trägt zusätzlich das Emittentenrisiko. Da es sich bei einem Zertifikat um eine Schuldverschreibung handelt, wäre das angelegte Kapital bei einer Insolvenz des Emittenten wahrscheinlich verloren.

Ab dem Jahr 2011 wurden auch andere deutsche Börsenmagazine auf den Börsenindikator aufmerksam geworden. So berichtet etwa „Focus Money“ in seinem jährlichen Vergleich von Börsenstrategien auch über welche auf Basis von Geberts Indikator.


Vier Einflussfaktoren bestimmen die Börse

Thomas Gebert identifizierte bei seinen Tests bereits im Jahr 1993 vier Einflussfaktoren, mit deren Hilfe er deutlich bessere Ergebnisse am deutschen Aktienmarkt erzielen konnte als mit einer Kauf-Halte-Strategie. Er definierte dazu vier einfache Anlagestrategien und rechnete bei seinen Tests den DAX bis ins Jahr 1962 zurück. Im Testzeitraum 1962 bis 1992 legte der Index um rund 200 Prozent zu. Alle vier getesteten Anlagestrategien schnitten deutlich besser ab als die Kauf-Halte-Strategie mit dem DAX. Und als Thomas Gebert alle vier Strategien kombinierte, entstand sein Gebert-Börsenindikator, mit dessen Hilfe sich im 30-jährigen Testzeitraum ein Zuwachs von 790 Prozent erzielen ließ. Das war fast viermal mehr Gewinn als bei der Kauf-Halte-Strategie und auch deutlich besser als jede der vier einbezogenen Anlagestrategien. Geberts Indikator hat sich allerdings nicht nur im Backtest, sondern auch seit seiner regelmäßigen Veröffentlichung seit dem Jahr 1996 bewährt.

Ein Anleger, der seit 1996 nur dann sein Geld in einen DAX-ETF investiert hätte, wenn Geberts Börsenindikator grünes Licht für Aktien gab, hätte 800 Prozent Gewinn erzielt. In Vergleich dazu waren es nur 440 Prozent Gewinn bei der Kauf-Halte-Strategie. Dabei wurde die ursprüngliche monatliche Berechnungsweise des Indikators verwendet. Mit der wöchentlichen Berechnungsweise, die Gebert erst seit 2006 verwendet, liegt der Gewinn sogar bei 1250 Prozent.


Die Zinsentwicklung

Die Entwicklung der Zinsen beeinflusst den Aktienmarkt. Steigende Zinsen sind Gift für die Börse, weil sie mit einer Zeitverzögerung die Konjunktur dämpfen und damit die Gewinnaussichten der Unternehmen eintrüben. Kredite verteuern sich, was zu weniger Nachfrage durch private Haushalte und Unternehmen führt. Außerdem machen höhere Zinsen die Anlage in Anleihen attraktiver, so dass weniger Geld in den Aktienmarkt fließt. Thomas Gebert erkannte diesen Zusammenhang und leitete eine einfache Strategie davon ab. Zur damaligen Zeit war der Diskontsatz der Deutschen Bundesbank der Leitzins für die deutsche Wirtschaft. Nach der ersten Senkung des Leitzinses stieg die Strategie in den DAX ein und verkaufte die Position bei dessen erster Erhöhung. Mit diesem Ansatz erzielte Gebert im Zeitraum 1962 bis 1992 einen Gewinn von 390 Prozent und damit fast doppelt so viel wie bei einer Kauf-Halte-Strategie.

Mittlerweile ist die Europäische Zentralbank (EZB) für die Zinspolitik in Europa und damit auch in Deutschland zuständig. Der Diskontsatz wurde durch den EZB-Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte abgelöst. Deshalb lautet heute das Regelwerk der Zinsstrategie wie folgt: Wenn der letzte Zinsschritt der EZB eine Zinssenkung war, deutet das auf steigende Aktienkurse hin und der Zinsindikator nimmt den Wert 1 an. Gab es zuletzt eine Zinserhöhung durch die EZB, ist das schlecht für Aktien und der Zinsindikator nimmt den Wert 0 an.


Die Entwicklung der Inflationsrate

Aufgabe der Notenbank ist es, mit Hilfe der Zins- und Geldmengenpolitik für Preisstabilität zu sorgen. Deshalb hängen die Zinsentscheidungen der Notenbank ab von der Entwicklung der Inflationsrate und können so als eine Art Frühwarnsystem kommender Zinspolitik angesehen werden. Eine sinkende Inflationsrate gibt der Notenbank Spielraum, durch Zinssenkungen die Wirtschaft anzukurbeln. Andererseits sorgt eine steigende Inflationsrate für Ängste, dass die Inflation aus dem Ruder laufen könnte, und die Notenbank versucht mit konjunkturdämpfenden Maßnahmen die Preisentwicklung in den Griff zu bekommen. Die Inflationsstrategie definierte Thomas Gebert nach folgenden Regeln: Liegt die Inflationsrate niedriger als vor zwölf Monaten, bedeutet das grünes Licht für den Kauf von Aktien und der Inflationsindikator bekommt den Wert 1. Ist die Inflationsrate höher oder gleich, ist das schlecht für den Aktienmarkt und der Inflationsindikator bekommt den Wert 0. Gebert hat auch diesen Ansatz für den Zeitraum 1962 bis 1992 getestet und damit einen Gewinn von 570 Prozent erwirtschaftet. Damit lag der Gewinn deutlich höher als die 380 Prozent der Zinsstrategie und die 200 Prozent der Kauf-Halte-Strategie.

Als Maßstab der Inflationsrate dient heute der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) der Eurozone. Ursprünglich verwendete Gebert den Verbraucherpreisindex für Deutschland. Wichtig ist, dass die verzögerte Veröffentlichung der Inflationsraten bei der Berechnung berücksichtigt wird. So stehen beispielsweise die Daten von Juni 2019 noch nicht am Ende desselben Monats zur Verfügung, sondern es muss auf die Daten des Vormonats Mai zurückgegriffen werden. Diese Angabe wird dann mit dem Wert vom Mai 2018 verglichen. Thomas Gebert hat dafür eine Verzögerung von 24 Werktagen definiert, da zum Zeitpunkt der Entwicklung des Indikators noch keine Schätzung der Inflationsrate veröffentlicht wurde. Heute steht zwar eine solche Schätzung zur Verfügung, sie sollte aber nicht verwendet werden. Andernfalls müsste der Wert des Börsenindikators unter Umständen nachträglich korrigiert werden, nämlich dann, wenn die reale Inflationsrate von der Schätzung abwiche. Das würde dazu führen, dass der Börsenindikator unbrauchbar für Anlageentscheidungen unbrauchbar wäre.

 

Die Entwicklung des US-Dollar

Ein steigender US-Dollar sorgt dafür, dass die exportorientierte deutsche Wirtschaft konkurrenzfähiger wird. Der US-Dollar ist noch immer die Leitwährung im Welthandel und deshalb von großer Bedeutung. Dabei führt ein steigender Dollarkurs tendenziell zu steigenden Unternehmensgewinnen bei vielen exportorientierten DAX-Unternehmen. Und steigende Unternehmensgewinne sorgen langfristig auch für steigende Aktienkurse. Bei der Dollarstrategie wurde ursprünglich an jedem Monatsanfang der Kurs des US-Dollar mit seinem Kurs vor einem Jahr verglichen. Lag der aktuelle Kurs höher als der Kurs vor einem Jahr, wurde das als positiv für den deutschen Aktienmarkt gewertet und in den DAX investiert. Ein Verkaufssignal ist gegeben, wenn der aktuelle Kurs niedriger oder gleich dem Vorjahreswert ist. Im Testzeitraum 1962 bis 1992 entstand mit diesem Ansatz ein Gewinn von beachtlichen 650 Prozent.

Seit der Umstellung des Börsenindikators auf einen wöchentlichen Prüfmodus verwendet Thomas Gebert jeweils den Freitagskurs und vergleicht ihn auch mit dem Freitagskurs vor einem Jahr. Ist der US-Dollar im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, wird der Dollarindikator auf den Wert 1 gesetzt, andernfalls nimmt er den Wert 0 an.


Saisonalität

Gebert untersuchte auch die durchschnittliche Veränderung der einzelnen Monate zwischen 1962 und 1992 und stellte fest, dass die Sommermonate deutlich schlechter abschnitten als die Wintermonate. Diese Erkenntnis deckt sich mit der alten Börsenweisheit „Sell in May and go away …“ und mit dem aus wissenschaftlichen Untersuchungen bekannten Halloween-Effekt.

Wenn man im Zeitraum Anfang November bis Ende April im DAX investiert war, ließen sich 6,3 Prozent pro Jahr Wertzuwachs erzielen. In der anderen Jahreshälfte von Anfang Mai bis Ende Oktober kam es dagegen zu keinem Wertzuwachs.

Daraus leitete Gebert seine saisonale Strategie ab, bei der am 1. November der DAX gekauft und dann am 30. April wieder verkauft wird. Mit dieser Strategie erzielte er im Testzeitraum 1962 bis 1992 einen Zuwachs von 400 Prozent und damit doppelt so viel, als wenn er den DAX über den gesamten Zeitraum gehalten hätte.

Im Zeitraum vom 1. November bis 30. April nimmt der saisonale Indikator den Wert 1 an und außerhalb dieses Zeitraums 0.


Handelssignale ermitteln

Um den Punktestand des Gebert-Indikators zu erhalten, werden die Punkte der vier Teilindikatoren addiert.

Ist die Summe der Punkte 3 oder 4, ist ein Kaufsignal gegeben; es wird auf steigende Kurse gesetzt. Ergibt die Summe der Punkte nur 0 oder 1, löst das ein Verkaufssignal aus und es wird von fallenden Kursen ausgegangen. Zwei Punkte sind neutral und ändern die vorherige Einschätzung nicht.

Unterschiedliche Berechnungsweisen

Ursprünglich berechnete Thomas Gebert den Punktestand nur am ersten Montag des Monats. Die davon abgeleitete Anlagestrategie wurde für diesen Artikel mit „Gebert-Börsenindikator monatlich“ benannt und bis heute fortgeführt. Dadurch wird deutlich, dass auch die ursprünglich definierte Berechnungsweise noch immer einen großen Mehrwert gegenüber der Kauf-Halte-Strategie liefert. Mit der Einführung eines Zertifikats auf seinen Börsenindikator im Jahre 2006 stellte Thomas Gebert das Regelwerk auf eine wöchentliche Berechnung am Montag um. Allerdings erfolgt trotzdem nur eine Transaktion pro Monat.


Anlagestrategie: G classic Börsenindikator mit DAX-ETF

G classic steht für die klassische monatliche Berechnungsweise des Gebert-Börsenindikators. Diese Anlagestrategie investiert das gesamte Kapital in einen DAX-ETF, wenn der Gebert-Börsenindikator bei monatlicher Berechnungsweise grünes Licht zum Kauf von Aktien gibt. Andernfalls wird das Kapital im Geldmarkt zum EONIA-Zinssatz angelegt. Wie Sie aus Tabelle 1 entnehmen können, hat sich diese einfache Anlagestrategie mit rund 9,1 Prozent Rendite pro Jahr auch seit Anfang 2000 besser entwickelt als der DAX mit nur 3,1 Prozent Rendite jährlich. Auch beim Risiko – gemessen am maximalen zwischenzeitlichen Rückgang – weist die Strategie mit minus 39,2 Prozent deutlich bessere Werte auf als der DAX mit minus 72,7 Prozent.

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Anlagestrategie: G weekly Börsenindikator mit DAX-ETF

Bei dieser Anlagestrategie wird die wöchentliche Berechnungsweise des Gebert-Indikators zur Signalgenerierung eingesetzt. Das gesamte Kapital wird dabei in einen DAX-ETF investiert, wenn der Gebert-Börsenindikator auf Wochenbasis ein Kaufsignal für deutsche Aktien gibt. Nach einem Verkaufssignal wird das Kapital im Geldmarkt zum EONIA-Zinssatz angelegt. Aus Tabelle 1 können Sie entnehmen, dass die Strategie mit wöchentlicher Indikatorberechnung mit 10,6 Prozent jährlicher Rendite etwas besser abgeschnitten hat als die Strategie mit monatlicher Berechnung. Allerdings ist auch der maximale Rückgang mit 40,5 Prozent etwas höher ausgefallen, aber immer noch deutlich geringer als beim DAX.

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Gebert-Indikator und die Aktienauswahl nach relativer Stärke

Der Gebert-Börsenindikator lässt sich auch gut mit einer Aktienauswahl nach relativer Stärke kombinieren. Dann wird bei grünem Licht für den Aktienmarkt nicht in einen DAX-ETF investiert, sondern auf die Gewinneraktien der Vergangenheit gesetzt. Dadurch lässt sich die Rendite erheblich verbessern. Als Beispiel soll die Anlagestrategie „Macrotrend plus Momentum mit fünf HDAX-Aktien“ dienen. Diese Strategie kombiniert den Gebert-Börsenindikator auf Wochenbasis mit einem doppelten Momentumansatz bei der Aktienauswahl. Wenn der Gebert-Indikator ein positives Umfeld für den deutschen Aktienmarkt anzeigt, wird in maximal fünf Aktien aus dem HDAX (DAX + MDAX + TecDAX) investiert, die ein starkes Momentum aufweisen. Dabei wird ein langfristigerer Momentumansatz als üblich verwendet. Damit eine Aktie gekauft werden darf, muss sie über absolutes Momentum in Form eines Aufwärtstrends und über relatives Momentum in Form relativer Stärke im Vergleich zu den anderen HDAX-Aktien verfügen. Zur Risikobegrenzung wird ein 20-Prozent-Trailing-Stopp verwendet. Wenn der Gebert-Indikator ein negatives Umfeld für den deutschen Aktienmarkt signalisiert, werden alle Aktien verkauft. Sobald auch der mittelfristige Trendindikator den Abwärtstrend bestätigt, wird mit Hilfe eines ShortDAX-ETF auf fallende Kurse gesetzt. Dafür werden dann 50 Prozent des Kapitals eingesetzt. Ein 10-Prozent-Trailing-Stopp begrenzt in diesem Fall das Risiko.

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Tabelle 1: Rendite- und Risikokennzahlen der drei Anlagestrategien im Vergleich zum DAX für den Zeitraum 01.01.2000 bis 30.06.2020


Verhalten beim Coronacrash 

Der Gebert-Börsenindikator hat auf den aktuellen Börsencrash nicht reagiert, weil die maßgeblichen Einflussfaktoren für den deutschen Aktienmarkt weiterhin positiv blieben. Wer nach dem Gebert-Börsenindikator im Coronacrash gehandelt hat, verlor mit dem DAX vom 19.02.2020 bis zum Tiefpunkt am 18.03.2020 gut 37 Prozent an Wert. Wer allerdings die Nerven hatte und dem Börsenindikator weiterhin sein Vertrauen schenkte, konnte auch von der Aufholjagd des DAX profitieren und die Verluste bis Ende Juni 2020 auf weniger als zehn Prozent reduzieren. Auch aktuell gibt der Gebert-Börsenindikator weiterhin grünes Licht für deutsche Aktien.

Fazit:

Der Gebert-Börsenindikator hat sich als Signalgeber für den deutschen Aktienmarkt in den vielen Jahren seines realen Einsatzes bewährt und Anlegern einen klaren Vorteil verschafft. Auch in der Rückrechnung über fast 50 Jahre zeigt dieser Börsenindikator seine Stärken. Er setzt sich aus vier Teilindikatoren zusammen, die neben dem statistischen Vorteil auch einen kausalen Zusammenhang zur Kursentwicklung am deutschen Aktienmarkt aufweisen. Dabei ist seine Berechnungsweise einfach, transparent und nachvollziehbar. Außerdem ist der Gebert-Börsenindikator gut geeignet, um als Filter die Ergebnisse einer Aktienauswahlstrategie zu verbessern. Er war und ist somit ein guter Ratgeber für deutsche Aktien. 

Ein Beitrag von:
Autor: Oliver Paesler
Oliver Paesler

entwickelt nicht nur Anlagestrategien für institutionelle Anleger, sondern mit dem Captimizer® auch die Software, um diese zu erstellen und zu testen. Sein erstes Buch über technische Indikatoren erschien 2007 im FinanzBuch Verlag und bereits 2010 wurde er als Experte für systematische Geldanlage vom Fachmagazin Börse Online in der Titelstory „Programmierte Gewinne“ porträtiert.

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