Frust macht sich breit
Inzwischen macht sich auch in der Bevölkerung Enttäuschung breit. Kein Wunder also, dass, wenn der Wohlstand auf der Kippe steht, hier und in ganz Europa inzwischen rechte Strömungen an Kraft gewinnen. Als Vermögensverwalter schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Wohlwollend sehe ich, dass sich unsere Firmen der Situation stellen und pragmatisch die richtigen Schlussfolgerungen ziehen (müssen), um im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können. Das sehen auch viele ausländische Investoren so – und als
gewinnorientierte Vermögensverwalter können auch wir der Spur des Geldes folgen. Bei 24 von 40 DAX-Konzernen haben ausländische Investoren inzwischen die Mehrheit. Heimische Aktionäre halten nur noch 31 Prozent der hiesigen Aktien, Tendenz fallend, wie das Beratungsunternehmen EY berechnet hat.
So lockt das seit Jahrzehnten größte US-Subventionsprogramm in den USA, der „Inflation Reduction Act“, auch deutsche Firmen an. Mercedes und BMW eröffnen in den USA Fabriken, Audi, Schaeffler, Aurubis, der Fotovoltaikhersteller Meyer Burger oder auch Siemens Energy orientieren sich Richtung Amerika. Günstige Energiekosten, Rechtssicherheit, weniger Bürokratismus, schnelle Verfahren und Steuervergünstigungen verstärken den Lockruf Amerikas. Deshalb denkt mittlerweile jedes zehnte deutsche Unternehmen – vor allem solche mit technologischem und grünem Schlüssel-Know-how – an ein „go west“. Und sind die Firmen einmal weg, bleiben sie es auch.
Auch der Weg nach Asien steht weit offen. So kündigte beispielsweise BASF jüngst die Schließung seiner Düngemittelfabrik in Ludwigshafen an, was 2600 Arbeitsplätze kostet – der Konzern investiert künftig lieber in Asien. Internationaler aufstellen wird sich auch die Deutsche Post. Sie entledigt sich ihres Traditionsnamens und will jetzt nur noch DHL heißen, um sich leichter auf
dem globalen Parkett etablieren zu können. Viele erinnern sich auch sicher noch an den radikalen Schritt des Industriegasherstellers Linde: Der einst größte DAX-Titel hat seit Anfang 2023 seinen Stammbörsenplatz in New York und verlegte den Firmensitz von München vorerst nach London.
Ein schwacher Trost, dass deutsche Firmen im aktuellen jährlichen Ranking der 50 innovativsten globalen Unternehmen, das von der Boston Consulting Group erstellt wird, mit immerhin fünf Namen vertreten ist. Amerika aber kommt auf 25, China auf acht.
Vier der vertretenen fünf deutschen Firmen, nämlich Siemens (auf Platz 10), Mercedes Benz (43), BMW (49) und BioNTech (23), zeigen dem Standort Deutschland aber bereits offen die Gelbe oder sogar Rote Karte. Und bei Bosch (37), dem fünften im Bunde, brodelt es auch schon.
Das sollte unsere Politiker eigentlich wachrütteln. Doch einer selbstgerechten Ideologie frönend, steht sich die Ampel – immer wieder die Moralkeule schwingend – selbst im Weg und schaut dem weltweiten Treiben verdutzt zu. Dabei sagte schon unser ehemaliger Bundeskanzler Helmut Schmidt treffend: „Ein Politiker ist einer Verantwortungsethik gegenüber dem Volk verpflichtet und nicht seiner Gesinnungsethik.“
Es bringt uns auch nicht weiter, über den weltweiten Protektionismus zu schimpfen. Den gibt es nun mal, und er hat in den vergangenen 15 Jahren der US-Wirtschaft ein Wachstum von +76 Prozent auf 25 Billionen US-Dollar gebracht. Deutschland dagegen erreichte über diesen Zeitraum nur +19 Prozent auf vier Billionen.
Unsere Voraussetzungen sind nicht optimal
Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Grundvoraussetzung Deutschlands, um im knallharten weltweiten Wirtschaftswettbewerb bestehen zu können, nicht die beste ist. Im Vergleich zu den USA und China und angesichts
unserer Exportabhängigkeit sind wir sehr stark von Rohstoffen und Vorprodukten anderer Länder abhängig. Schwingen wir dort unablässig die Moralkeule, können uns diese Länder am langen Arm verhungern lassen.
Die glorreichen Zeiten, als wir noch Energie und Vorprodukte billig aus Schwellen- und Entwicklungsländern importiert haben, daraus tolle Produkte fertigen und exportieren konnten, sind vorbei. China schließt industrietechnisch immer mehr auf, viele rohstoffreiche Länder werden sich ihrer Macht zunehmend bewusst und emanzipieren sich zu Recht. Vergessen wir also nicht das berühmte Zitat des früheren US-Außenministers Henry Kissinger: „Amerika hat keine Freunde, nur Geschäftsinteressen.“
Das sollten wir uns heute wieder mal hinter die Ohren schreiben …
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